Mit der lässigen Kleidung ,habt ihr euch von euren Eltern abgehoben Wie haben die auf eure wilde Zeit reagiert? Schliesslich haben sie ihre Jugend dem Krieg geopfert.
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Was heisst hier „ihre Jugend dem Krieg geopfert“? Ich bin ´46 geboren, also kurz nach dem Krieg. Für uns Kinder war das auch kein Honigschlecken – es gab ja nichts, alles musste improvisiert werden. Wer da einen Garten hatte, oder ein Stück Land, der war „König“. Aber heute muss ich sagen, dadurch habe ich viel gelernt, vor allem mit wenig auskommen.
Die ersten Klamotten waren Marke Eigenbau, entweder selbst gestrickt oder aus größeren Klamotten kleiner gemacht. Dem entsprechend sahen wir auch aus. Es gab für uns Kinder keine lange Hosen – egal ob Männlein oder Weiblein, alle trugen lange, selbst gestrickte Strümpfe, und die Krönung war dann noch, wenn diese dann auch noch einen Zopf mit eingestrickt bekamen. Natürlich durfte das Leibchen auch nicht fehlen, denn diese langen Dinger mussten ja irgendwie oben bleiben. Als Knopf diente dann ein kleiner Kiesel, eine getrocknete Erbse oder Bohne, wer „viel“ Geld hatte, nahm einen Pfennig
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So ging das bis zum 14ten Lebensjahr. Bis dahin waren die Kombinationen der Jungen immer mit kurzer Hose. Stell Dir mal vor: mit 14/15 Jahren war ich schon 180 cm, und dann einen Anzug mit kurzer Hose. Na, ja, damals kannten wir das nicht anders, obwohl, einige (die Oberschicht) trug schon lang! Dafür hatten wir mehr zum Essen – 2 mal wurde geschlachtet, 1mal im Herbst und 1 mal im frühen Frühjahr. Den Rest spendete uns unser Garten und Acker: Obst, Gemüse, Kartoffeln, Getreide für´s Mehl, um beim Bäcker Brot backen zu lassen. Da gab es ein Backbuch, der Müller brachte das Mehl, aus unserem Korn gemahlen, und der Bäcker fabrizierte daraus für uns Brot, wir brauchten nur das Backen bezahlen: 20 Pfennig für ein 6-Pfund-Brot. Also, gehungert habe wir nicht, nie!!!
Dann kamen die 60er Jahre, und die Revolution begann. Als wenn einer einen Schalter umgelegt hatte, drehten wir pötzlich auf
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Die, von der älteren Generation verteufelte „Neger-Musik“, schwappte über den grossen Teich, die Texas-, Nieten- oder Cowboyhosen eroberten ratzfatz auch den letzten Winkel unseres Weserberglandes. Wer jetzt keine „Nietenhose“ sein eigen nannte, stand aussen vor, war nur zweite Garnitur. Meine erste „Jeans“ war eine gebrauchte, sie hat mich zwei Karnickel gekostet. ((Mein „Alter“ (Vater) hat das gar nicht gemerkt, wir hatten immer so zwischen 60 und 70 Karnickel (ach ja, zu deutsch: Kaninchen), es fiel also nicht auf, wenn da zwei fehlten.))
„Mit dem Dingen kommste mir nicht aussen Haus raus!“ Also wurde die „Jeans“ beim Kumpel geparkt, und wenn es auf die Piste ging, wurde halt die Hose gewechselt.
Den Beverungern haben wir die „Neger-Musik“ auf unsere Weise untergejubelt: Die Hauptstrasse in Bev. ist lang und hat einen breiten Bürgersteig. Hännes, ein Fussballkumpel, hatte den ersten „Tragbaren Plattenspieler“ in Bev., andere die ersten „heissen Scheiben“! Wir sind dann die Lange Strasse rauf und runter, den Plattenspieler getragen wie ein rohes Ei, und haben den Moochenern die Ohren voll gedröhnt. Ich muss jetzt grinsen, wenn ich daran denke, wir lösten damit einen kleinen Volksaufstand aus. Es hat sich aber gelohnt, und wie!!
Unsere Eltern, das ist ein Kapitel für sich. Sie mussten ganz schön was einstecken, mit und durch uns „kleinen“ Rebellen. „Papa, der Henner hat dies und das, kriege ich das auch? Ich muss immer mit den alten Klamotten rumlaufen!“ Als Antwort war nur das berühmte „Schweigen“ im Walde, oder ein Geknurre: „Für solch einen Mist geben wir kein Geld aus.“ Aber ein steter Tropfen höhlt den Stein, immer wieder ran an den Feind. Ich muss aber auch sagen, solange wir „Kinder“ unsere Arbeit, die uns aufgetragen wurde, erledigten, kamen wir gut mit unseren Eltern klar. Nur mit der Zeit war eben „Abhängen“ angesagt. Die ersten Cliquen wurde gebildet, die Widerworte zu Hause kamen öfters, oft flogen dann die berühmten Fetzen: „So was durften wir uns unseren Eltern gegenüber nicht erlauben“, bekam ich dann öfters zu hören. Es war zur Gewohnheit geworden, wenn zum Engel des Herrn geläutet wurde, hiess das für uns Zapfenstreich. 18.00 Uhr. Abendessen. Langsam, aber immer öfters, wurde diese Regel dann gebrochen, und wenn man dann später kam, gab´s nicht mehr zum Essen. Ab und zu wurde auch mit „Dresche“ nachgeholfen, aber so einfach war das nicht mehr. Durch die viele und schwere Arbeit, war man auch nicht aus Pappe, und so wurden die Schläge einfach abgefangen. Dann kam die Zeit, wo man sich anschlich, das Ohr an die Wohnungstür drückte, um zu hören, wie die Stimmung war. War Gewitter angesagt, dann habe ich auf dem Heuboden geschlafen, auch wenn sie mich dann die ganze Nacht gesucht haben. Im Heu lässt sich gut schlafen.
Aber wo für hatte man denn die Kumpels?! Wieder Krieg mit den „Alten“, ab zu Henner und Paulino. Egal zu welcher Zeit ich einen Stein an ihr Fenster warf, sie haben mich immer bei sich schlafen lassen.
Ich war da so 17/18 Jahre alt. Ich konnte auch sehr gut Fussball spielen. Linksaussen. Aber da ja bekanntlich Torwart und Linksaussen einen an der Waffel haben, denke ich heute, musste ich damals wohl so sein. Natürlich war mein Vater stolz auf mich (oder auf sich?), weil er solch einen Sohn hatte. Dafür drückte er schon manchmal ein Auge zu, aber auch nur manchmal.
Und wenn ich dann immer hören musste,“lass die Finger von den Mädchen, dafür biste noch zu jung“, dann ist bei mir die Hutschnur hoch gegangen. Meine Mutter war 18, als sie meine Schwester bekam. Und wenn ich das dann ins Spiel brachte, hiess es immer: „Damals war alles anders, es war Krieg!“ „Und jetzt ist kein Krieg mehr, und jetzt ist man mit 18 Jahren 12, oder was?“ Und schon ging der Machtkampf wieder los. „Die Jugend hat keine Ehrfurcht mehr vor der älteren Generation, was haben wir alles mit- und durchgemacht!“ „Sollen wir jetzt mit Euch leiden, auch alles mit- und durchmachen?!“ Wir waren damals in den 60ern wie junge Hirsche, eingepfercht im Gehege. Plötzlich war da ein Loch im Zaun, und bekanntlich schmeckt das Grünzeug auf der anderen Seite immer besser. Also durch das Loch, und die andere „freiere“ Freiheit schnuppern.